Raumplanung: Die 10 wichtigsten Einrichtungstipps für Neubauten
Vor jedem Hausbau steht zunächst eine gut durchdachte Grundrissplanung an. Was viele Bauherr:innen dabei oft unbewusst vernachlässigen, ist die dazugehörige Raumplanung. Doch was ist genau der Unterschied zwischen den beiden? Und warum spielt die Raumplanung eine mindestens genauso wichtige Rolle wie der Entwurf des Grundrisses?
Um diese und weitere Fragen zu beantworten, haben wir ein ausführliches Interview mit der Einrichtungsberaterin Anne Sandmann geführt. Dank ihrer jahrelangen Erfahrung in dem Gebiet der Raumplanung weiß sie ganz genau, worauf es ankommt und verrät Ihnen ihre besten Tipps für die Inneneinrichtung Ihres zukünftigen Traumhauses. Viel Spaß beim Lesen!
Wann und wie beginnt man die Raumplanung?
Ganz allgemein baut die Raumplanung auf der Grundrissplanung auf. Während der Grundriss die Maße eines Hauses und dessen Räume darstellt, bezieht sich die Raumplanung auf die jeweilige Funktion des Raumes und dessen Bereiche sowie deren Gestaltung. Idealerweise gehen beide Konzeptionierungen Hand in Hand, sodass Sie mit der Raumplanung gleichzeitig mit der Grundrissplanung starten sollten. “Denn sowohl Alltagsroutine, individuelle Vorlieben und Anforderungen sollen sich sowohl in der Grundrissplanung als auch in der Raumplanung wiederfinden", betont Anne.
Wie startet man nun aber in die Raumgestaltung?
Anne beginnt in der Regel mit dem Kennenlernen des Kunden bzw. des Projekts durch ein persönliches Gespräch und das Ausfüllen eines Fragebogens. Dabei stellt sie Fragen zu Alltagsroutinen, Hobbys, Lebensstil und klärt Anforderungen und Wünsche an das Zuhause. Fragen Sie sich selbst: Was wünschen Sie sich für Ihr Haus? Was ist Ihnen wichtig und nicht so wichtig? Was ist Ihr Lieblingsplatz in Ihrem Zuhause und wieso? Was sind für Sie die wichtigsten Elemente und was stört Sie in Ihrem jetzigen Zuhause?
Im Anschluss erarbeitet Anne ein Moodboard, auf dem die gewünschte Stimmung festgehalten wird. Sammeln Sie Inspirationen von Einrichtungen und Farbwelten, die Ihnen gefallen. Überlegen Sie sich sowohl übergreifend für das gesamte Haus als auch Raum für Raum die Farben, Formen und Elemente, die am besten zu Ihrem persönlichen Geschmack passen. Darauf basierend entwickeln Sie ein Farbkonzept und suchen entsprechende Möbel, Dekoelemente und Wandfarben aus.
Wie platziert man Möbel am besten und worauf ist dabei zu achten?
Zunächst gibt es drei Flächentypen, die dabei helfen, die optimale Platzierung und Ausrichtung von Möbeln zu definieren:
- Stellflächen: Hierbei handelt es sich um Flächen, die für das reine Aufstellen von Einrichtungsgegenständen (Möbeln) beansprucht werden. Dabei werden durchschnittliche Möbelabmessungen zugrunde gelegt.
- Bedienungsflächen: Diese Flächen geben an, wie viel Platz bei der Benutzung und Bedienung von Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Installationen erforderlich ist.
- Verkehrsflächen: Das sind jene Flächen, die für Bewegungsabläufe zwischen den einzelnen Funktionsbereichen und Räumen reserviert sind.
In der Regel ist auf eine Durchgangsbreite von mindestens 70 cm zu achten. Das bedeutet, dass zwischen einzelnen Möbeln und / oder Wänden dieser Abstand ratsam ist, damit Sie sich ungehindert bewegen können. In Ausnahmefällen kann der Abstand auch mal schmaler sein (z.B. im Schlafzimmer neben dem Bett) oder in Kombination mit Bedienungsflächen auch breiter (z.B. bei einem Sideboard neben dem Esstisch).
“Neben der Einhaltung der oben beschriebenen Flächen und Abstände gibt es noch ein paar allgemeine Tipps und Tricks, wie man Zonen und Bereiche strukturieren kann, damit ein Raum sowohl funktional als auch wohnlich wird. So können verschiedene Zonen in einem Raum mit Hilfe von Teppichen eingegrenzt werden. Auch Wandfarben sind ein gutes Mittel, um bestimmte Bereiche hervorzuheben.”
Wenn Sie Ihr Wohnzimmer einrichten, bietet sich beispielsweise ein Teppich unter dem Esstisch an, um einen visuell abgegrenzten Essbereich zu schaffen. Wichtig sind aber auch immer die eigenen Wohnbedürfnisse. Die Gestaltung eines TV-Bereichs im Wohnraum hängt zum Beispiel davon ab, welche Bedeutung das Fernsehen im Alltag einnimmt. Definieren Sie demnach zunächst, welche Funktion jede Zone erfüllen soll und welche Möbelstücke für Sie bedeutsam sind.
"Zum einen sollten Sie Zonen klar definieren (z.B. Loungebereich, Essbereich) und zum anderen Verkehrswege aktiv steuern. Trauen Sie sich ruhig, eine Couch als Raumteiler einzusetzen. In den Raum hinein gestellt, definiert ein Sofa automatisch eine Zone und gleichzeitig werden Verkehrsflächen reduziert."
Wie setzt man Lichtquellen in Wohnräumen ideal ein?
Das Thema Licht ist einer der essentiellsten Aspekte, um einen Raum funktional wie auch wohnlich zu gestalten. Wesentlich beim Einsatz der Lichtquelle ist die Frage, welche Art von Beleuchtung benötigt bzw. gewünscht wird. Soll eine bestimmte Funktion erfüllt oder die Leuchte nur zu dekorativen Zwecken genutzt werden? Mittels einer solchen Bedarfsanalyse kann genau festgelegt werden, welche Stimmung jeder einzelne Raum und dessen Zonen ausstrahlen soll.
Annes 8 einleuchtende Tipps für den Einsatz von Lichtquellen:
- Bedarf hinterfragen, um Beleuchtungspunkte zu definieren
- 5-7 Regel einhalten (beschreibt Mindestanzahl pro Raum an Beleuchtungspunkten)
- Sichtachsen und Laufwege berücksichtigen
- Schattenwurf und Lichtkegel beachten
- Variierende Höhen der Lichtquellen setzen
- Gleichgewicht zwischen direktem und indirektem/diffusem Licht schaffen
- Richtwerte für Aufhängung einhalten (Blendrisiko)
- Optimale Leuchtmittelstärke und -farbe wählen
Idealerweise führen Sie die Lichtplanung ebenfalls direkt zu Beginn der Raumplanung durch. Gerade wenn Sie einen Neubau planen, können auf diese Weise fest installierte Lichtquellen wie Deckenspots, Wandleuchten und Funktionsleuchten sowie die benötigten Anschlüsse rechtzeitig in der Elektroinstallation mitbedacht werden.
Es kann darüber hinaus hilfreich sein, einen Lichtexperten zu engagieren. Dieser legt beispielsweise die optimalen Abstände von Deckenspots fest. Ein weiterer Grund, die Lichtplanung nicht zu vernachlässigen: Gegen Ende des Bauprozesses werden beim Hausbau meist Abstriche gemacht, und an Licht und Leuchten sollten Sie keineswegs sparen.
In welchen Bereichen und wie lässt sich am besten Stauraum schaffen?
Stauraum schafft Raum – und zwar für all die schönen Dinge, die ein Zuhause wohnlich und gemütlich machen. Je mehr Stauraum ein Haus hat, desto aufgeräumter wirkt es. Daher ist auch dieser Aspekt essentiell und sollte bestenfalls direkt bei der Grundrissplanung berücksichtigt werden. Versteckte Nischen, Kammern und Einbauschränke sind leichter und kostengünstiger umzusetzen, wenn sie bereits beim Grundriss eingeplant wurden.
Nischen können zum Beispiel elegant offen gestaltet werden durch das Setzen von Leichtbauwänden. Gerade im Eingangsbereich ist es sinnvoll, eine Nische ohne Tür zu planen. Kommen Sie vollgepackt nach Hause, steht Ihnen der Weg frei, ohne erst eine Tür umständlich öffnen zu müssen.
Einbaumöbel sind zwar nicht gerade günstig, bieten aber effizienten Stauraum, der dezent in den Raum integriert wird. Zum Beispiel kann unter einer Treppe sehr viel praktische Schrankfläche geschaffen werden. Um Geld zu sparen, kann man clevere DIY Lösungen für Einbauvarianten nachbauen.
“Bauen Sie in die Höhe. Nutzen Sie den Raum vollständig aus. Ein gutes Beispiel dafür sind Küchenschränke, die bis unter die Decke gesetzt werden. Dies wirkt sowohl ästhetisch und schafft zudem maximalen Stauraum.”
Bei der Planung der Inneneinrichtung sollten Sie sich fragen: Wo wird der Stauraum benötigt? Anschließend sollte dieser dann im ausreichenden Maß dort auch eingeplant werden. Generell ist es überall möglich, Stauraumlösungen zu integrieren – manchmal ist es nur etwas aufwendiger und teurer. Wo Stauraum definitiv nicht zu knapp kommen sollte, ist im Eingangsbereich und in der Küche.
Was sind die Top-Tipps, um Räume wohnlich und gemütlich zu gestalten?
Tipp 1: Ihre Räume müssen zu Ihnen passen, damit Sie sich wohlfühlen! Machen Sie sich bewusst, was für Sie selbst Gemütlichkeit bedeutet. Wie können Sie am besten entspannen und fühlen sich zu Hause? Eine Raumgestaltung, wenn sie auch gewissen Regeln folgt, ist immer eine sehr subjektive Entscheidung. Die wichtigsten Elemente für eine stimmige Inneneinrichtung sind laut Anne: Beleuchtung, Teppiche, Wandfarbe, Pflanzen und Design Finish (Deko / Accessoires).
Tipp 2: Getreu dem Motto "Mix and Match” empfiehlt Anne, unterschiedliche Formen, Materialien und Oberflächen zu kombinieren. Dadurch entsteht eine gewisse Spannung und lässt jeden Raum lebendiger wirken. Wenn Sie zum Beispiel viele gerade und abstrakte Formen bevorzugen, diese aber mit organischen kombinieren, bringen Sie mehr Leben in Ihre Einrichtung.
Tipp 3: Verleihen Sie Ihrem Raum eine individuelle Note. Besonders gut funktioniert das durch den Einsatz von Vintage-Möbeln oder Accessoires. Vielleicht haben Sie ein Erbstück, das Sie in Szene setzen möchten und aus welchem sich ein Farbkonzept für den Raum oder eine Zone ergeben kann. Solche Gegenstände verleihen einem Raum das gewisse Etwas, was nicht überall zu finden ist. Eine Einrichtung, die sich lediglich aus einer Möbelmarke zusammensetzt, wirkt meist wie aus einem Katalog – ein Zuhause ohne Persönlichkeit.
Was sollte generell bei der Raumplanung vermieden werden?
Was für viele normal erscheint, ist für Anne einer der größten Fehler bei der Inneneinrichtung: nämlich alle Möbel an die Wand zu rücken. Ein Raum, in dem alle Einrichtungsgegenstände der Wand entlang platziert werden, erhält weder Spannung noch Raumtiefe. Das zeigt ebenfalls auf, wie wichtig es ist, Zonen und Bereiche zu schaffen.
Darüber hinaus sollten Sie ein Ungleichgewicht bei der Platzierung von Möbeln vermeiden. Bedeutet, dass Sie zum Beispiel in einem schmalen Raum, wenn möglich, nicht alle Möbel an eine Wand stellen sollten und die andere Seite frei lassen. Das wirkt langweilig und gequetscht. Ist die Stellfläche begrenzt, sind hängende Regale eine ideale, luftige Lösung. Durch den Effekt der Wandmontage wirken der Raum und die Wände nicht so zugestellt und die Regale nicht so massiv.
“Nichts wirkt kühler und eintöniger als eine reinweiße Wand. Selbst die kleinste Farbnuance beispielsweise ins Beige sorgt direkt für eine freundlichere Atmosphäre. Trauen Sie sich Farbe zu zeigen, auch wenn es nur leicht getönte Wände sind, macht das schon einen großen Unterschied.”
Wie kann das Thema Nachhaltigkeit am besten in der Raum- und Grundrissplanung umgesetzt werden?
Zum einen ist Anne ein Fan von Vintage-Möbeln oder solchen, die Second Hand gekauft wurden. Und zum anderen schätzt sie das Upcycling – alte Möbelstücke aufarbeiten lassen und lackieren. Beides kommt der Nachhaltigkeit zu Gute, da keine neuen Produkte der Fast-Furniture-Industrie erworben werden. Gebrauchte Möbel erzählen eine Geschichte, die jedem Raum direkt mehr Persönlichkeit verleiht, gerade dann, wenn Sie zudem noch aus früheren Zeiten stammen.
Ebenfalls nachhaltig ist der Einsatz von mitwachsenden Möbeln bei Familien oder multifunktionalen Möbeln generell. Ihr Einsatz spart nicht nur Platz, sondern im besten Fall langfristig auch Kosten. Ein geliebtes Produkt von Anne ist zum Beispiel das String Regalsystem, das individuell erweiterbar ist. Doch selbst der bekannte Klassiker Ivar von Ikea ist ideal dafür geeignet, beliebig an- und umgebaut zu werden.
Kommen wir noch zum Thema Kosten: Welchen Einfluss hat die Raumplanung auf die Gesamtkosten beim Hausbau?
Der Kostenaspekt bei der Raumgestaltung sollte nicht unterschätzt und rechtzeitig in der Bauplanung berücksichtigt werden. Die Ausgaben für die Inneneinrichtung gehören teilweise zu den reinen Hauskosten, da einige Merkmale bereits im Grundriss berücksichtigt werden (z.B. Einbauschränke und Elektroleitungen für fest installierte Lampen). Der Großteil kommt jedoch auf die Hauskosten obendrauf und gehört zur erweiterten Ausstattung.
Top-Tipps zum Kostensparen bei der Raumgestaltung
Um Kosten zu sparen, empfiehlt Anne, sich ausreichend Zeit bei der Raumplanung zu lassen und alle Entscheidungen bis ins letzte Detail zu überdenken. So lassen sich Fehlkäufe, ein misslungenes Farbkonzept oder die falsche Materialwahl von vornherein ausschließen. Denn die Recherche nach Ersatz und Verbesserung ist zeit- und folglich kostenintensiv.
Sind Möbel nicht großartig sichtbar, weil sie zum Beispiel in einer Kammer platziert werden, lohnt es sich, auf günstige Systeme zurückzugreifen. Mit einem passenden Anstrich, maßgeschneiderten Fronten oder Vorhängen lassen sich die günstigen Klassiker gut verkleiden.
Kaufen Sie Einrichtungselemente Second-Hand, können Sie ebenfalls einiges an Geld sparen – und gleichzeitig einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten.
Woran Anne allerdings nie sparen würde? An Sitzmöbeln, insbesondere an Esstischstühlen, da ihre Familie und Gäste dort in der Regel sehr viel Zeit verbringen. Die Investition in hochwertige und bequeme Stühle macht hier definitiv den Unterschied. Allerdings ist auch das subjektiv zu bewerten, da manch Anderer vielleicht kaum am Esstisch, aber dafür bevorzugt auf dem Sofa sitzt.
Am Ende ist die Raumplanung – wie auch der Hausbau selbst – immer individuell zu betrachten. Befolgen Sie Annes Ratschläge und Tipps, steht einer gelungenen Inneneinrichtung nichts mehr im Wege.
Mehr zu Anne Sandmann
Seit einigen Jahren ist Anne nun schon leidenschaftliche Interior Designerin. Deutschlandweit hat sie bereits viele Wohnräume zum gemütlichen und zugleich funktionalen Zuhause ihrer Kunden gemacht. Auch Büroflächen wurden unter ihrer Leitung effektiv geplant und stilvoll eingerichtet.
Mehr zu Anne und ihrer Arbeit findet ihr auf ihrer Website oder ihrem Instagram Account.
Das Interview mit Anne Sandmann haben wir exklusiv für Fertighaus.de im November 2024 geführt.